🗓️ 21.08.2024
Lukas Biermann
Head of Data & AI
Stell dich vor, was ist Deine Position und wie kommst du mit Datenkompetenz in deinem Unternehmen in Berührung?
Lukas Biermann:
Mein Name ist Lukas Biermann und ich bin seit zwei Jahren bei Europace. Dort habe ich die Verantwortung für die Datenstrategie sowie die eingebettete KI-Strategie übernommen. Mein Weg in die Datenwelt begann allerdings viel früher. Ich habe Informatik studiert und einen Master in Intelligenten Systemen abgeschlossen. Schon während des Studiums habe ich mich intensiv mit Themen wie Datenbankoptimierung beschäftigt, was meine Leidenschaft für Daten geweckt hat.
Nach dem Studium habe ich in einem Startup gearbeitet, das von einem kleinen Team auf über 70 Mitarbeiter skaliert wurde. Dort hatte ich die Gelegenheit, unter anderem in das Thema Datenstrategie einzutauchen. Diese Erfahrungen haben mich schließlich zu meiner aktuellen Position geführt. Bei Europace verfolgen wir einen Data Mesh Ansatz, bei dem jedes Team End-to-End für seine Daten verantwortlich ist. Eine der größten Herausforderungen besteht darin, sicherzustellen, dass in allen Teams ausreichend Datenexpert:innen verfügbar sind.
Was interessiert dich persönlich am Thema Daten und wie kommst du damit in deinem Alltag in Berührung?
Lukas Biermann:
Daten haben mich schon immer fasziniert, wahrscheinlich weil ich schon als Kind gerne überzeugende Argumente vorgebracht habe. Das beste Argument, das man haben kann, ist oft ein Datenpunkt. Als ich zum Beispiel meine Eltern von einem neuen Football-Helm überzeugen wollte, habe ich ihnen eine ganze Auswertung vorgelegt, um zu zeigen, warum dieser Helm die beste Wahl ist.
Im Studium habe ich dann festgestellt, dass mich vor allem die Genauigkeit von Datenmodellen interessiert. KI-Modelle, die auf Wahrscheinlichkeiten basieren, haben mich immer ein wenig gestört, weil sie nicht hundertprozentig genau sind. Deshalb habe ich mich auf wissensbasierte Systeme konzentriert, die auf präzisen Daten beruhen.
Für mich sind Daten die Grundlage für sinnvolle Geschäftsentscheidungen. Wenn man seine Daten gut aufbereitet und ein Modell entwickelt, das die Realität möglichst genau abbildet, kann man die besten Entscheidungen treffen. Ein weiterer Punkt, der mich antreibt, ist die Überzeugung, dass viele Unternehmen die Bedeutung von Daten und deren Qualität noch unterschätzen. Sie glauben oft, dass sie einfach ein Modell erstellen und es wird schon funktionieren. Aber wenn die Daten ungenau sind, ist das Modell wertlos. Besonders in Zeiten von Generativer KI geht es nicht mehr darum das man selber ein möglichst gutes KI-Modell entwickelt, dies ist für mittelständische Unternehmen finanziell nicht tragbar. In diesem Fall nutzt man einfach ein existierendes Modell mit seinen Daten und die Daten. In diesem Fall gewinnt auch das Unternehmen, dass am besten seine Datenpflegt und aufbereitet.
„Wenn wir mehr Fachkräfte ausbilden, die (…) Daten nutzen können, stärken wir unsere Position als Wissensgesellschaft. (…) Wenn (…) Menschen die nötige Kompetenz haben, um mit Daten & KI zu arbeiten, können Sie diese Entwicklung positiv für sich nutzen und niemand muss Angst haben, dass KI die Jobs wegnimmt“
Wie wichtig ist es deiner Meinung nach, dass Datenkompetenzen einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden?
Lukas Biermann:
In der Zeit als Wärmepumpen stärker nachgefragt worden sind, wurde häufig argumentiert, dass allein der Einsatz von Wärmepumpen den Wert von Häusern massiv steigere. Diese Aussage hat mich zum Nachdenken gebracht, denn der Wert eines Gebäudes steigt nicht nur wegen der Wärmepumpe, sondern oft auch durch weitere Sanierungsmaßnahmen, die gleichzeitig durchgeführt werden. Das zeigt, wie wichtig es ist, Daten richtig zu interpretieren und zu hinterfragen. Man sollte immer die Plausibilität einer Statistik prüfen und verstehen, worauf sie tatsächlich angewendet werden kann. Diese Aussagen haben mich zum Nachdenken gebracht, denn der Wert eines Gebäudes steigt nicht nur wegen der Wärmepumpe, sondern oft auch durch andere Sanierungsmaßnahmen, die gleichzeitig durchgeführt werden. Das zeigt, wie wichtig es ist, Daten richtig zu interpretieren und zu hinterfragen. Man sollte immer die Plausibilität einer Statistik prüfen und verstehen, worauf sie tatsächlich angewendet werden kann.
Welche Chancen siehst du darin, die Gesellschaft komplett datenkompetent zu machen?
Lukas Biermann:
Eine datenkompetente Gesellschaft hätte meiner Meinung nach mehrere Vorteile. Zum einen könnten Menschen populistische, einfache Antworten auf komplexe Themen hinterfragen, weil sie in der Lage wären, die Daten hinter diesen Aussagen zu verstehen und zu interpretieren. Zum anderen ist Datenkompetenz auch aus wirtschaftlicher Sicht entscheidend. Deutschland ist zwar eine Industrienation, aber unsere Zukunft liegt im Wissen und in der Erfahrung – beides sind letztlich Daten.
Wenn wir mehr Fachkräfte ausbilden, die diese Daten nutzen können, stärken wir unsere Position als Wissensgesellschaft. Ein weiteres Beispiel ist die zunehmende Bedeutung von KI in vielen Bereichen. Es gibt Ängste, dass KI Jobs gefährdet, aber ich sehe es eher als eine weitere Automatisierungswelle, wie wir sie schon bei der Einführung von Robotern in der Industrie erlebt haben. Allerdings haben wir in Deutschland in unserer Industrie die dritt höchste Roboterdichte pro 10.000 Arbeitnehmer im weltweiten Vergleich – trotzdem haben wir dennoch einen Fachkräftemangel. Wenn die Menschen die nötige Kompetenz haben, um mit Daten & KI zu arbeiten, können sie diese Entwicklung positiv für sich nutzen und niemand muss Angst haben, dass KI die Jobs wegnimmt.
Gibt es bei euch im Unternehmen eine klar formulierte Datenstrategie? Wenn ja, welcher Fachbereich verantwortet diese?
Lukas Biermann:
Ja, wir haben eine klar formulierte Datenstrategie, die auf fünf Leitplanken basiert. Diese Strategie liegt in meiner Verantwortung, direkt unter unserem Director of Technology. Die Leitplanken sind:
- Datenexpertise: Jede:r Mitarbeiter:in soll das Wissen, die Fähigkeit und den Mut haben, mit Daten zu arbeiten.
- Transparenz: Wir streben an, dass möglichst viele Daten für alle Mitarbeitenden zugänglich und verständlich sind.
- Data Governance: Jede:r soll verstehen, was wichtig für die Data Governance ist, und sich im rechtlichen Rahmen sicher bewegen können.
- Data Professional: Durch Schulungen und Hackathons bieten wir den Mitarbeitenden die Starthilfe, die sie benötigen.
- Data Mesh Ansatz: Entscheidungen werden dort getroffen, wo die Expertise sitzt, das heißt bei den Domänenexpert:innen.
Was tut euer Unternehmen konkret, um Datenkompetenzen aufzubauen?
Lukas Biermann:
Wir haben mehrere Maßnahmen ergriffen, um die Datenkompetenz unserer Mitarbeiter:innen systematisch zu fördern. Dabei verfolgen wir einen umfassenden Ansatz, der sowohl technische als auch kulturelle Aspekte abdeckt.
- Data Consultation Engineers: Diese Expert:innen sind eine zentrale Säule unserer Strategie. Data Engineers oder Data Analysts werden gezielt in die verschiedenen Teams eingebettet, um datengetriebene Projekte direkt vor Ort zu unterstützen und ihr Wissen weiterzugeben.
- Nutzerfreundliche Tools: Wir setzen bewusst auf Open-Source-Lösungen oder lizenzkostenfreie Tools, um sicherzustellen, dass alle Mitarbeitenden unabhängig von ihrer Position auf Daten zugreifen und damit arbeiten können. Dies senkt die Einstiegshürden erheblich und ermöglicht es jedem, eigenständig erste Schritte mit Daten zu unternehmen, ohne auf Genehmigungen oder Budgets angewiesen zu sein.
- Data Community: Diese Plattform dient dem Austausch zwischen Mitarbeiter:innen, die an datenbezogenen Themen arbeiten oder sich dafür interessieren. Hier werden Datenanalysen, Herausforderungen und neue Tools diskutiert. Auch externe Expert:innen tragen dazu bei, aktuelle Entwicklungen und Best Practices zu teilen
- Hackathons und Schulungen: Regelmäßige Hackathons und Schulungen bieten Mitarbeitenden die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten in der Praxis anzuwenden und weiterzuentwickeln. Wir haben konzernweite KI- und Daten-Hackathons organisiert, bei denen interne und externe Experten Wissen teilen und kreative Lösungen für aktuelle Herausforderungen entwickelt werden.
- Buchclubs: Ein Beispiel ist auch die Gründung unseres Buchclubs, in dem relevante Fachliteratur gemeinsam gelesen und diskutiert wird. Dieser Ansatz fördert tiefere Einblicke und den Wissenstransfer untereinander.
- Individuelle Lernpfade und Kompetenzentwicklung: Darüber hinaus bieten wir die Möglichkeit, an Fortbildungen teilzunehmen, und schauen uns zusammen an, was sinnvoll ist. Wir sind hier gerade dabei, die Senioritätsstufen für Datenrollen neu zu überarbeiten, um klarere Entwicklungspfade zu schaffen. Dabei legen wir Wert auf die Kombination technischer Fähigkeiten und nicht-technischer Kompetenzen, wie das Verstehen komplexer Managementanforderungen und die Fähigkeit zur Kommunikation mit Entscheidungsträgern.
Unser Ziel ist es, eine Umgebung zu schaffen, in der jede:r Mitarbeiter:in die Chance hat, seine Datenkompetenzen kontinuierlich zu erweitern und sicher im Umgang mit Daten zu werden. Letztlich geht es darum, „Data to the People“ zu bringen und sicherzustellen, dass jede:r im Unternehmen die Werkzeuge und das Wissen hat, um datenbasierte Entscheidungen zu treffen.
Wie organisieren sich bei euch die Fachbereiche und das Thema HR in Bezug auf Weiterbildung?
Lukas Biermann:
Die Verantwortung für die Weiterbildung liegt hauptsächlich bei mir und meinem Team. Wir haben allerdings auch Projekte, die gemeinsam mit People and Culture (in anderen Unternehmen HR) durchgeführt werden, insbesondere wenn es um allgemeine Kompetenzentwicklung geht. Unser Ansatz ist jedoch, dass die Entscheidung über Fortbildungen dort getroffen werden sollte, wo die Expertise liegt – also bei den Menschen, die täglich mit den Themen arbeiten. Wir ermutigen unsere Mitarbeiter:innen, selbstständig nach Fortbildungsmöglichkeiten zu suchen und sich aktiv weiterzubilden.