🗓️ 21.03.2024
Heiko Wein
Head of Data Management
Stell dich vor, was ist Deine Position und wie kommst du mit Datenkompetenz in deinem Unternehmen in Berührung?
Heiko Wein
Mein Name ist Heiko Wein, ich bin 49 Jahre alt, und ich bin seit 4 Jahren bei der 11 88 0 AG als “Head of Data Management” beschäftigt.
Die Hauptaufgabe meiner Abteilung ist es, alle Grundlagendaten, die wir für weitere Unternehmensprodukte benötigen, sowohl im digitalen und analogen Bereich, aufzubereiten und der restlichen Produktwelt zur Verfügung zu stellen. Produkte von 11 88 0 sind zum Beispiel unsere Branchenbücher. Die kennt glaube ich fast jeder, der schon mal eine Internetsuche getätigt hat, da sind wir in der Regel in den oberen Rängen der Google Ergebnisse zu finden sind, wo wir beispielsweise den Dachdecker in deiner Stadt oder im Umkreis deiner Wahl ermitteln.
All die Daten, die hier oder in anderen 11880-Produkten angezeigt werden, werden durch mein Team und in meiner Abteilung, über komplexe Verfahren und Prozesse, generiert, aufbereitet und bereitgestellt.
Heiko Wein
Wie wichtig ist es deiner Meinung nach für die Gesellschaft, Datenkompetenzen einem breiten Publikum zugänglich zu machen?
Heiko Wein:
Das Thema Datenkompetenz ist beruflich ein Dauerbrenner bei uns, vor allem im Austausch mit Leuten, die nicht so fit darin sind. Sie verstehen oft nicht, wie sich Daten verändern, wenn man sie intensiv bearbeitet – zum Beispiel durch das Hinzufügen und Verändern vieler Attribute – und trotzdem aussagekräftig bleiben sollen. Für unser System ist es eine echte Herausforderung und eine stetige Bemühung, Daten in verlässlicher Qualität bereitzustellen.
Privat fällt mir auf, wie wichtig Datenkompetenz ist, wenn es beispielsweise um den Umgang mit Statistiken geht. Es ist entscheidend, wie kritisch ich Prozentangaben oder statistische Aussagen hinterfragen und bewerten kann. Oft merke ich, dass Menschen zum Beispiel einen Prozentwert in den Nachrichten hören, daraus vorschnell Schlüsse ziehen und Meinungen bilden, die so vielleicht gar nicht haltbar oder angebracht sind.
Beim Blick auf die Heizkostenabrechnungen meiner Verwandten sehe ich, wie schwer es vielen fällt, diese zu verstehen. Prozentuale Anteile und ähnliche Darstellungen sind für die meisten ein Buch mit sieben Siegeln, teilweise auch deshalb, weil sie sich überfordert fühlen und sich daher lieber nicht damit auseinandersetzen möchten. Dann wird das Thema einfach beiseitegeschoben.
Ich finde, Datenkompetenz sollte immer Hand in Hand mit Medienkompetenz gehen. Dazu zählen auch Kommunikationsfähigkeiten. Es ist wichtig, zumindest die Fallstricke zu kennen, die damit verbunden sind.“
„Ich finde, Datenkompetenz sollte immer Hand in Hand mit Medienkompetenz gehen. Dazu zählen auch Kommunikationsfähigkeiten. Es ist wichtig, zumindest die Fallstricke zu kennen, die damit verbunden sind.“
Welche Gefahren und Chancen siehst du hier?
Heiko Wein:
Grundsätzlich ist es ein Pluspunkt, wenn man die Gesellschaft in egal welchen Bereich kompetenter macht. Mehr Kompetenz zu haben bedeutet, dass man beispielsweise mit Daten selbstsicherer umgehen und eher die richtigen als die falschen Fragen stellen kann. Ich habe zum Beispiel vier Studierende (Duales Studium der Informatik) in meinem Team und sehe immer wieder, wie essenziell es ist, das Gehörte und Gesehene kritisch zu hinterfragen.
Entscheidend ist, die Fähigkeit zu entwickeln, zu erkennen, dass Informationen oft durch persönliche Meinungen geprägt sind, die als Fakten präsentiert werden. Teil der Daten-, Medien- und Kommunikationskompetenz ist es, das Selbstbewusstsein zu haben, zu sagen: ‚Ich weiß, wo ich Informationen finde, wie ich Fakten von Meinungen trenne.‘ Es geht darum zu wissen, wo man suchen muss. Man sollte wissen welche Quellen geeignet sind, und welche Quellen als eher unsicher zu bewerten sind.
Als Softwareentwickler wurde uns im Studium beigebracht, dass man nicht alles wissen muss und kann, es aber wichtig ist, zu wissen, wo man die benötigten Informationen findet. Das Erlernen, wie man Wissen erlangt, ist daher grundlegend.
Die Herausforderung liegt darin, geeignete Werkzeuge und Ansprechpartner bereitzustellen, die Menschen auf ihrem Kenntnisstand abholen können. Es sollte nicht zu theoretisch sein, sondern praktisch und zugänglich für die Mehrheit, da nicht jeder immer die Bereitschaft mitbringt, sich mit komplexen Themen auseinanderzusetzen. Ideal wäre es, Kompetenzvermittlung auf eine spielerische und kommunikative Weise anzubieten, statt sich nur auf die reine Wissensvermittlung zu konzentrieren.
Ein gutes Beispiel ist die Datenkompetenz-Toolbox, die durch Videos ergänzt wird und einen Mix aus verschiedenen Inhalten bietet, um die Thematik nicht nur trocken darzustellen, sondern sie lebendig und greifbar zu machen.
Was für Datenkompetenz Initiativen benötigt es für den Wirtschaftsstandort Deutschland, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben und warum?
Heiko Wein:
Meiner Meinung nach ist es essenziell, bei der Jugend und jungen Erwachsenen anzusetzen. Es ist unrealistisch zu erwarten, dass Menschen über zwei Jahrzehnte hinweg kaum Berührungspunkte mit dem Thema Datenkompetenz haben, um dann in das Berufsleben einzutreten und plötzlich, wie aus dem Nichts, kompetent im Umgang mit Daten zu sein.
Daher befürworte ich stark, dass wir uns frühzeitig Gedanken darüber machen, welche Fähigkeiten die Menschen in unserer Gesellschaft zwingend benötigen. Ein Ansatzpunkt könnte die Schule sein: Natürlich sind historische Kenntnisse wichtig, ebenso wie Mathematik und andere Fächer, aber genauso sollte der Fokus auf den bereits erwähnten Kompetenzen liegen und darauf, eben diese weiterzuentwickeln. Ich finde, wir sollten auch darüber nachdenken, die Ausbildung, schulisch und beruflich wieder zu dehnen, anstatt sie immer weiter zeitlich zu verknappen.
Bei der Hochschulbildung könnten wir mit einem ‚Studium Generale‘ beginnen. Bevor sich Studierende auf ihr Wunschfach konzentrieren, sollten sie sich ein oder zwei Semester lang mit einer breiten Palette von allgemeinen Themen auseinandersetzen. Das versetzt sie nicht nur in die Lage Ihre nachgelagerte Spezialisierung bewusster zu wählen, sondern vermittelt Kompetenzen, die den jeweiligen Menschen später beruflich, wie privat, vom großen Nutzen sein könnten.
Eine weitere hervorragende Initiative ist die Datenkompetenz-Toolbox. Sie richtet sich an Menschen, die bereits im Arbeitsleben stehen, und unterstützt sie dabei, genau diese Fähigkeiten der Datenkompetenz weiterzuentwickeln.
Gibt es eine formulierte Datenstrategie in Eurem Unternehmen? Wer/welcher Fachbereich verantwortet diese?
Heiko Wein:
Ja, tatsächlich haben wir eine Datenstrategie, allerdings ist sie über verschiedene Bereiche hinweg etwas zersplittert. In den einzelnen Abteilungen herrschen unterschiedliche Herangehensweisen im Umgang mit Daten. Wir in der Entwicklung, tief in der technischen Umsetzung, behandeln Daten anders als beispielsweise der Vertrieb. Für uns steht vor allem die qualitative und systemische Bewertung der Daten im Vordergrund, wohingegen andere Bereiche die Daten mehr inhaltlich analysieren, um betriebswirtschaftliche Mehrwerte zu generieren. Trotz dieser Unterschiede existiert jedoch ein grundlegender Konsens im Unternehmen darüber, wie wir Daten handhaben und nutzen. Unser primäres Ziel ist es, bestimmte Daten der Öffentlichkeit und Suchenden zugänglich zu machen und diese effektiv mit den Angeboten und Dienstleistungen unserer Kunden zu verbinden.
Wie ist der Aufbau von Datenkompetenzen strukturiert?
Heiko Wein:
Wir setzen aktiv auf die Entwicklung von Datenkompetenzen in unserem Unternehmen und schätzen das außergewöhnliche Engagement einzelner Teammitglieder, die diese Initiative vorantreiben. Als Führungskraft in diesem Bereich lege ich großen Wert darauf, die Datenkompetenz kontinuierlich zu verbessern und zu erweitern. Obwohl nicht alle Führungskräfte die gleiche Perspektive teilen, ist es mein Ziel, eine breite und strukturierte Basis für Datenkompetenz aufzubauen, da Daten im Kerngeschäft meines Bereichs stehen.
Ich nutze jede Möglichkeit, um positiv darauf einzuwirken: Ich führe regelmäßige Gespräche, diskutiere intensiv mit Studenten und mache es zu einem wiederkehrenden Thema unter meinen Mitarbeitern. Dabei versuche ich stets, den Bedarf an Schulungen zu ermitteln und setze mich für deren zeitnahe Durchführung ein.
Mit der Datenkompetenz-Toolbox verbinde ich die Hoffnung auf eine strukturierte Ressource, die ich meinem Team zur Verfügung stellen kann. Es ist mir wichtig, als Führungskraft eine strukturierte Umgebung zu schaffen, in der ich mich aktiv einbringen kann. Allerdings finde ich es herausfordernd, aus meiner Abteilung heraus umfassende Strukturen für Datenkompetenz zu etablieren. Deshalb wirkt es momentan noch etwas zersplittert. Eine spezialisierte Toolbox für Datenkompetenz würde es mir ermöglichen, das Thema gezielter und strukturierter anzugehen.