Interview: Dr. Alexander Lambrecht

🗓️ 22.02.2024

Dr. Alexander Lambrecht

Head of Data & Analytics

Stell dich vor, was ist Deine Position und wie kommst du mit Datenkompetenz in deinem Unternehmen in Berührung?

Name: Dr. Alexander Lambrecht

Mein Name ist Alexander Lambrecht, ich bin Head of Data and Analytics bei der NOW GmbH.  

Die NOW GmbH (Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie) ist eine bundeseigene Programmgesellschaft für nachhaltige Antriebe, dessen Förderung und dessen Monitoring. Wir beschäftigen uns viel mit Förderevolerevaluationen und Marktmonitoring, um zu prüfen, wo vielleicht noch Förderung im Markt fehlt, um den Markthochlauf neuer Technologien wie beispielsweise Elektromobilität richtig anzureizen. 

In diesem Zusammenhang wird sehr viel datengetrieben gearbeitet, im Ministerium, aber auch gefördert oder befördert durch uns. 

Was ist dein persönliches Interesse an Datenkompetenz und warum glaubst du, dass das Thema relevant ist?

Name: Dr. Alexander Lambrecht

Was mich grundlegend an der Arbeit mit Daten interessiert, ist wie Daten uns helfen können unsere Entscheidungskompetenz zu verbessern. Dies ist auch das grundlegende Anliegen in unserer Datenstrategie. Für uns ist es entscheidend, dass Daten immer zu besseren Entscheidungen und Handlungen im Unternehmen oder für unsere Auftraggeber führen. Das bedeutet, dass Daten für mich immer darauf abzielen, Unsicherheit bei Entscheidungen zu reduzieren, oder bestimmten Entscheidungsvoreingenommenheiten vorzubeugen. Es ist ja bekannt, dass Handlungen und Entscheidungen oft von Bauchgefühlen gesteuert werden. Auch im Unternehmen gibt es Stimmen, die zwar laut sind und scheinbar kompetent wirken, letztendlich aber nur eine oberflächliche Perspektive haben. Hier kommen Daten ins Spiel, indem sie Transparenz für bestimmte Entscheidungsprozesse schaffen und so dazu beitragen, Unsicherheit zu reduzieren. Mein ultimatives Interesse liegt darin, durch Daten Unsicherheit zu minimieren und dadurch sowohl für uns als Individuen als auch für die Gesellschaft insgesamt bessere Entscheidungen zu fördern oder zu ermöglichen. 

Wie wichtig ist es deiner Meinung nach für die Gesellschaft, Datenkompetenzen einem breiten Publikum zugänglich zu machen? Welche Gefahren und Chancen siehst du hier? 

Name: Dr. Alexander Lambrecht

Ich halte es für äußerst wichtig, dass jeder die Möglichkeit hat, datengetriebener zu leben. Das hat meiner Meinung nach zwei zentrale Aspekte. Erstens kann man seine eigene Wirksamkeit in der Welt steigern, indem man den Fortschritt von persönlichen Zielen anhand von Daten misst. Ein Beispiel dafür könnte der Versuch sein, den Alkoholkonsum zu reduzieren. Studien belegen hier, dass die Erfolgschancen am höchsten sind, wenn man sein Verhalten misst und Daten darüber aufzeichnet, um die Entscheidungsfähigkeit zu verbessern. 

Zweitens ermöglicht eine höhere Datenkompetenz, Pseudowissenschaftlichkeit im Leben zu vermeiden und einen klareren Blick auf die Dinge zu haben. Ein Beispiel hierfür ist die Welt der Finanzprodukte, wo Menschen teilweise Opfer von fragwürdigen Versicherungen oder Finanzprodukten werden. Durch eine frühzeitige Ausbildung in grundlegenden ökonometrischen Funktionen, die im Wesentlichen auf Daten basieren, könnten wir Kinder und Jugendliche besser darauf vorbereiten, die richtigen finanziellen Entscheidungen im Leben zu treffen. 

Kurz gesagt, es geht nicht nur darum, Einzelpersonen zu ermächtigen, mehr mit Daten zu tun, sondern auch darum, potenziell große Fehler in der Gesellschaft zu vermeiden. Eine frühzeitige Ausbildung kann dazu beitragen, dass Menschen nicht nur scheinbar datengetrieben leben, sondern auch tatsächlich fundierte Entscheidungen treffen können.  

Für uns beginnt Datenkompetenz […] schon in der Kodierung, sodass alle Mitarbeitenden anfangen, Daten richtig zu modellieren, bevor sie überhaupt anfangen, Daten zu dekodieren und mit der Analyse beginnen. Man sollte verstanden haben, wie man ein Datenmodell – auch in Excel –  richtig aufsetzt, um es dann zu befüllen. 

Was für Datenkompetenz Initiativen benötigt es für den Wirtschaftsstandort Deutschland, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben und warum?

Name: Dr. Alexander Lambrecht

Das ist eine geladene Frage, aber ein aktuelles Beispiel verdeutlicht einen zunehmenden Trend: Die Einführung von generativer Künstlicher Intelligenz (Gen AI) führt dazu, dass immer mehr Unternehmen, auch solche, die bisher wenig Erfahrung mit maschinellem Lernen hatten, auf den Zug aufspringen und beispielsweise Chatbots implementieren wollen. Dabei wird jedoch deutlich, dass viele dieser Projekte in Deutschland letztendlich zu Digitalisierungsprojekten werden, weil klar wird, dass die erforderliche Infrastruktur fehlt – sei es an qualitativ hochwertigen Daten, Berechtigungskonzepten oder funktionierenden Datenbanksystemen. 

Was möchte ich damit sagen? Ich glaube, Deutschland braucht einen erheblichen Schub in der Digitalisierung. Es fehlt nicht nur an Technologien, sondern auch am digitalen Mut. Die „German Angst“ gegenüber neuen Technologien scheint weiterhin präsent zu sein. Im Vergleich zu anderen Ländern, insbesondere den USA und einigen osteuropäischen und asiatischen Ländern, wird deutlich, dass Deutschland nicht nur technologisch hinterherhinkt, sondern auch in Bezug auf die Bereitschaft und den Mut zur Technologie. 

Es ist wichtig zu erkennen, dass der Rückstand im Bereich Digitalisierung nicht nur durch den Mangel an Technologien entsteht, sondern auch durch die fehlende Bereitschaft, diese Technologien zu adaptieren. Der Druck für einen Wandel scheint noch nicht ausreichend groß zu sein. 

Wie ist die NOW GmbH im Hinblick auf den Umgang mit Daten strukturiert? 

Name: Dr. Alexander Lambrecht

Im Unternehmen haben wir derzeit rund 30 Datenexpertinnen und -experten unter den 250 Mitarbeitenden, was ein ziemlich guter Schnitt ist. Das sind Data Scientists, Data Analysts und Data Engineers, die in etwa sieben bis acht Teams organisiert sind.  

Wir sind ein sehr dezentral organisiertes Unternehmen, und sehr Bottom-Up finanziert, das heißt die jeweiligen Teams bekommen ihre eigenen Beauftragungen aus den Ministerien. Aus diesem Grund haben wir im letzten Jahr eine Datenstrategie veröffentlicht, um teamübergreifend die Richtung ein bisschen zu vereinheitlichen und sicherzustellen, dass es nicht zu viel ausfranst. Unsere Strategie setzt darauf nicht zu stark von oben vorzugeben, sondern in Form einer hybriden Datenorganisation gewisse Leitplanken und Zielvisionen zu setzen.  

Wir haben bewusst entschieden, dass Datenarbeit kein isoliertes Thema für ein „Center of Excellence“ ist. Stattdessen setzen wir darauf, dass Data Analytics und möglicherweise auch Data Engineering auf der Fachebene stattfinden. Das bedeutet, dass Teams sich intensiv mit diesen Themen auseinandersetzen müssen, und auch Teamleitungen müssen verstehen, wie sie ihre Rollen und Strukturen entsprechend gestalten können. Dies erfordert erhebliche Anstrengungen und Überzeugungsarbeit. 

Ein zentraler Fokus liegt dabei auf der Förderung von Datenkompetenz, damit nicht nur Experten, sondern alle Mitarbeiter datengetrieben arbeiten können und dürfen. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass jeder programmieren können muss oder im Detail wissen muss, wie Machine Learning funktioniert.  

Wir haben jetzt zum Beispiel über einen zentralen Datenkatalog bzw. ein zentrales Metadatenmanagement eingeführt, um Unternehmensdaten domainübergreifend verfügbar zu machen und den fachlichen Austausch zwischen den Teams zu erleichtern. Ein konkretes Beispiel ist eine Initiative, welche wir gerade im HR-Bereich haben, dass auch dort datengetriebener gearbeitet werden kann. Wir überlegen gemeinsam, welche KPIs es gibt, was wir überhaupt tracken wollen und wie dies datengetrieben umgesetzt werden kann. Hier wird deutlich, dass Datenkompetenz essenziell ist, besonders weil HR-Personal in der Regel nicht über umfassende Datenkompetenz verfügt. Wir haben Tools wie Power BI als Low-Code-Version für die Analytik eingeführt und gleichzeitig grundlegende Schulungen durchgeführt, um sicherzustellen, dass Mitarbeiter wissen, wie sie ihre Daten sauber und übersichtlich halten können, bspw. zur Frage „Was ist clean & tidy?“, „Wie räumt man seine Excel Tabellen richtig auf, damit man sie auch gut analysieren kann?“ Für uns beginnt Datenkompetenz also schon in der Kodierung, sodass alle Mitarbeitenden anfangen, Daten richtig zu modellieren, bevor sie überhaupt anfangen, Daten zu dekodieren und mit der Analyse beginnen. Man sollte verstanden haben, wie man ein Datenmodell – auch in Excel –  richtig aufsetzt, um es dann zu befüllen.  

Gibt es in eurem Unternehmen Anreizsysteme, damit wie sich die einzelnen Mitarbeitenden im Bereich Datenkompetenzen weiterbilden?

Name: Dr. Alexander Lambrecht

Nein, noch gibt es keine Anreizsysteme, keine offiziellen. Inoffiziell ist natürlich vielen Mitarbeitern klar, dass ich mich mit skalierbaren Fähigkeiten attraktiver auch für den gesamten Arbeitgebermarkt mache. Aber es gibt leider auch immer noch viele Mitarbeitende, die eine falsche Angst vor Datentools und Datenmethoden haben. Und da, glaube ich, müssen wir noch ein bisschen mehr über Anreize, über extrinsische Motivation rangehen, aber die gibt es aktuell noch nicht. Ich habe der Personalabteilung schon einmal vorgeschlagen, dass man möglicherweise auch über entsprechende Zulagensysteme die Mitarbeiter weiterentwickeln kann, aber das ist noch ein weiter Weg und so weit sind wir noch nicht.

Stehen den Mitarbeitenden da aktuell zentrale Budgets für ihre fachliche Weiterbildung in dem Bereich Datenkompetenzen zur Verfügung? 

Name: Dr. Alexander Lambrecht

Ja genau, wir haben 2000€ brutto, die verwendet werden können für die persönliche individuelle Weiterbildung. Die müssen nicht direkt mit der eigenen Rolle oder Aufgabe zu tun haben. Dieses Weiterbildungsbudget wird mittlerweile auch von sehr vielen Mitarbeitern, nicht nur Datenmitarbeitenden, genutzt, um Datenkompetenz aufzubauen.  

Wie organisieren sich bei euch HR und die Fachbereiche in Bezug auf die Weiterbildung von Mitarbeitenden? 

Name: Dr. Alexander Lambrecht

Die Verwaltung und Freigabe für Weiterbildungen erfolgen im HR-Bereich. Wir aus dem Data & Analytics Bereich bieten interne Schulungen an, darunter Themen wie Clean & Tidy Data Modeling, Grundlagen von Data Analytics, Data Storytelling, Cloud-Technologien und Datenbanken. Dadurch stellen wir sicher, dass unsere Teams die erforderliche Datenkompetenz entwickeln. 

Gibt es hierzu im Unternehmen konkrete Beispiele im Bereich Förderung von Data Literacy oder der Entwicklung in Datenrollen, welche du teilen kannst?  

Name: Dr. Alexander Lambrecht

Ein konkretes Beispiel: In unserem Kommunikationsteam hatten wir jemanden, der ursprünglich für Social Media zuständig war. Durch unsere Ermutigung hat diese Person begonnen, Power BI zu erlernen, Zugang zum Data Warehouse erhalten und erste SQL-Abfragen geschrieben. Im Laufe der Zeit hat er sich weiterentwickelt und sogar begonnen, Python zu lernen und zu programmieren. Dies ist ein herausragendes Beispiel, das wir in anderen Teams präsentieren, um zu zeigen, dass es möglich ist, sich in diese Themen einzuarbeiten. Wir möchten betonen, dass es nicht notwendig ist, dass alle programmieren lernen – es geht vielmehr darum, Tools zu nutzen, mit denen man beginnen kann. 

Der Mitarbeiter hat sich selbstständig weiterentwickelt und hat sogar unseren Datenfinder konzipiert, aufgebaut und mit Power BI befüllt. Dieser Datenfinder ist öffentlich auf unserer Website verfügbar und präsentiert viele unserer Daten über die Deutsche Verkehrswende. Es ist eine faszinierende Entwicklung, die wir gerne teilen und verlinken möchten. 

Hier gehts zum Datenfinder: Datenfinder 

„Für uns ist es entscheidend, dass Daten immer zu besseren Entscheidungen und Handlungen […] führen. Das bedeutet, dass Daten für mich immer darauf abzielen, Unsicherheit bei Entscheidungen zu reduzieren, oder bestimmten Entscheidungsvoreingenommenheiten vorzubeugen.“