Stell dich vor, was ist Deine Position und wie kommst du mit Datenkompetenz in deinem Unternehmen in BerĂĽhrung?
Arman Savuk:
Ich bin Arman, 39 Jahre alt, gebürtiger Hesse und lebe seit ca. 11 Jahren in Berlin. Meine aktuelle Rolle ist “Director Data” bei Thomann.io und ich beschäftige mich seit ca. 15 Jahren mit Daten.
Jeden Tag, mehrfach – das liegt aufgrund der Sparte, in der wir agieren, in der Natur der Sache. Wer digitale Produkte und Services baut und anbietet, braucht eine Datenbank, muss wissen, wie/wo/wann die Daten erzeugt, verarbeitet und Kunden angezeigt werden. Allein dieser technische Vorgang bedingt eine gewisse Datenkompetenz, und dann haben wir uns noch nicht über Analyse, Dokumentation, Verfügbarkeit und Stakeholder-Enablement unterhalten, also quasi den Endanwendern außerhalb der Systeme.
Innerhalb unserer Data Division haben alle vier Units (1. Data Analytics & Science, 2. Data Engineering, 3. Business Intelligence und 4. Digital Analytics und Measurement) unterschiedlichste Anforderungen an Datenkompetenz.
Was ist dein persönliches Interesse an Datenkompetenz und warum glaubst du, dass das Thema relevant ist?
Arman Savuk:
Ich gliedere meine Auffassung von Datenkompetenz grundsätzlich in folgende Lebensbereiche: beruflich/privat, digital/analog. Jede dieser Kombinationen hat für mich eine unterschiedliche Bedeutung und erfordert spezifisches Wissen sowie Herangehensweisen.
Diese Untergliederung hat mir persönlich bisher eigentlich immer geholfen, um in den jeweiligen Bereichen genug eigene Datenkompetenz aufzubauen, um mindestens potenzielle rechtliche Konsequenzen, aber auch Sicherheitsrisiken und Missinterpretationen zu vermeiden.
Vor allem der digitale Sektor ist für mich ein treibender Relevanzfaktor – das ist jetzt aber auch keine Überraschung (mehr). Wer heute nicht weiß, was seine (digitalen) Rechte und Pflichten sind, wird möglicherweise irgendwann mal in Schwierigkeiten kommen – das betrifft vor allem Menschen, die nicht unbedingt in das digitale Zeitalter hineingeboren wurden. Aber auch die jüngeren Generationen nutzen heute beispielsweise KI, ohne genau zu wissen, welche Rolle Daten überhaupt spielen. Deswegen bin ich ein großer Fan davon, bereits sehr früh, also beispielsweise in der Schule, damit zu beginnen, Datenkompetenzen aufzubauen und ein grundlegendes (technologisches) Verständnis dafür zu (er)schaffen.
Wie wichtig ist es deiner Meinung nach für die Gesellschaft, Datenkompetenzen einem breiten Publikum zugänglich zu machen? Welche Gefahren und Chancen siehst du hier?
Arman Savuk:
Es hängt m. E. davon ab, wann und wo in der Gesellschaft Datenkompetenzen erforderlich sind, die nicht nur verstanden, sondern auch proaktiv in einer Entscheidung müden (müssen). In Bezug auf diese Themen sollte das übergeordnete Ziel darin bestehen, die Gesellschaft zu befähigen, ein Bewusstsein und Verständnis für Themen wie Datenmissbrauch, Privatsphäre und gesetzlichen Regularien aufzubauen und nicht per se auf Basis von Misstrauen Innovation zu blockieren. Das sehe ich als große Gefahr für unsere Innovationskraft.
Ein gutes Beispiel ist m.e. der Consent Banner, der fälschlicherweise sogar unter Experten manchmal “Cookie Banner” genannt wird. Viele Menschen haben häufig eine starke Meinung entweder zuzustimmen oder abzulehnen, wissen im Endeffekt aber gar nichtwirklich explizit, was das datenspezifisch passiert und welche Konsequenzen eine Einwilligung oder Ablehnung bedeutet. Ich bin der Überzeugung, dass es sinnvoll ist, für jede Zielgruppe gezielte Medien und effektive Kommunikationskanäle einzusetzen, um die Menschen bestmöglich zu erreichen.
Persönlich halte ich es für unerlässlich, die Förderung von Datenkompetenz bereits in der Schule zu verankern. Jeder, der heute ein mobiles Gerät in der Hand hält, sollte ein grundlegendes Verständnis dafür entwickeln, welche Prozesse da eigentlich gerade stattfinden. Es ist wichtig, dass zumindest die Grundkonzepte vermittelt werden, damit die Nutzer begreifen, dass hinter jeder Hard und -Software eine Datenbank steht. Ein etwas tiefergehendes Verständnis dieser Zusammenhänge sehe ich als notwendige Voraussetzung, um zu begreifen, wie künstliche Intelligenz funktioniert.
Ohne gewisse Standardisierung von Datenkompetenzen werden wir meiner Ansicht nach nur sehr langsam die Fähigkeit erlangen, Datenkompetenzen in der Gesellschaft in ausreichender Tiefe zu etablieren.
„Persönlich halte ich es fĂĽr unerlässlich, die Förderung von Datenkompetenz bereits in der Schule zu verankern. Jeder, der heute ein mobiles Gerät in der Hand hält, sollte ein grundlegendes Verständnis dafĂĽr entwickeln, welche Prozesse da eigentlich gerade stattfinden.“
Was für Datenkompetenz Initiativen benötigt es für den Wirtschaftsstandort Deutschland, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben und warum?
Arman Savuk:
Bevor wir uns mit Daten und Datenkompetenzen in Deutschland auseinandersetzen, sollten wir zunächst den Digitalisierungsgrad des Landes in Betracht ziehen. Wenn wir heute den Blick auf den öffentlichen Sektor und die öffentliche Verwaltung richten, stellen wir fest, dass viele Prozesse entweder überhaupt nicht oder nur teilweise digitalisiert sind. In zahlreichen europäischen Nachbarländern sind diese Abläufe bereits standardisiert. Meiner Meinung nach kommt die Datenkompetenz erst im Anschluss, denn selbst die beste Datenkompetenz ist nutzlos, wenn man nicht versteht, wie man digitale Produkte skalierbar in Unternehmen sowie im öffentlichen Sektor implementiert.
Es ist entscheidend, zunächst zu verstehen, wie digitale Produkte funktionieren, wie man sie entwickelt und welcher Prozess ihrer Entstehung zugrunde liegt. Welche Daten stecken dahinter, und vor allem, wie sollten diese Daten optimal genutzt werden? Diese grundlegenden Fragen müssen beantwortet werden. Ohne dieses Verständnis werden wir langfristig an Innovationskraft in unserem Land verlieren.
Ich bin mir bewusst, dass ich mich wiederhole, aber künstliche Intelligenz wird in den nächsten Jahren immer relevanter – sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich. Deshalb müssen wir uns so schnell wie möglich intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen und Use Cases entwickeln, in denen wir künstliche Intelligenz gezielt einsetzen können. Andernfalls riskieren wir, mittel- bis langfristig in vielen Wettbewerbssektoren in Deutschland den Anschluss zu verlieren.
Gibt es eine Initiative rund um den Einsatz von Daten, welche du besonders beeindruckend findest oder von der Du mitbekommen hast?
Arman Savuk:
Ja, eine Initiative, die mich besonders beeindruckt, ist das „Open Data“-Projekt in Singapur. Die Regierung hat eine umfassende Strategie zur Freigabe von Daten implementiert, was zu einer breiten Palette innovativer Anwendungen und Dienstleistungen gefĂĽhrt hat. Dies ermöglicht nicht nur Transparenz, sondern fördert auch die Entwicklung von Lösungen im Gesundheitswesen, Verkehr und anderen Bereichen durch die Nutzung von Daten. Die ganzheitliche Herangehensweise und der positive Einfluss auf die Gesellschaft machen diese Initiative fĂĽr mich besonders bemerkenswert.
Gibt es eine formulierte Datenstrategie in Eurem Unternehmen? Wer/welcher Fachbereich verantwortet diese?
Arman Savuk:
Die Antwort darauf lässt sich nicht eindeutig mit „ja“ oder „nein“ beantworten. Unsere Herangehensweise beinhaltet mehrere Dokumente, in denen wir unsere Ziele bezĂĽglich der Datenanwendung und des angestrebten Mehrwerts skizzieren. Dies erfordert jedoch unserer Ansicht nach die Implementierung einer passenden Tool-Landschaft, die Ausarbeitung geeigneter Prozesse und die Schaffung von Verbindungen zu verschiedenen Stakeholdern wie Product Ownern, Entwicklern und Architekten. Das alles auf einer schmalen und skalierbaren Spur. Wir denken nicht ĂĽber eine Leuchtturm-Strategie nach, die am Ende mehr Maintenance als Mehrwert mit sich bringt. Wir möchten explizit vermeiden, eine ĂĽberdimensionierte Datenstrategie zu entwerfen, die nur auf dem Papier existiert und ĂĽber Jahre hinweg abgearbeitet wird. Unsere Denkweise ist stark von konkreten Anwendungsfällen und dem geschäftlichen Nutzen geprägt.
Derzeit liegt unser Fokus darauf, technische Schulden in der Dateninfrastruktur abzubauen und diese zu modernisieren. Wir arbeiten mit Proof-of-Concepts, um die Bereiche zu etablieren und ihnen die Werkzeuge an die Hand zu geben, die sie benötigen, um ihre Stakeholder zu enablen.
Die Hauptverantwortung fĂĽr die Umsetzung dieser Ziele liegt in unserer Data Division.
Welcher Bereich verantwortet bei Euch im Unternehmen das Thema der Data Governance? Wie wichtig ist fĂĽr Dich dieser Bereich, wenn es um den Aufbau von unternehmensweiten Datenkompetenzen geht?
Arman Savuk:
Innerhalb unseres Unternehmens kooperieren verschiedene Abteilungen im Rahmen der Data Governance. Wir betrachten das Thema als einen ganzheitlichen Prozess, der bei den Datenproduzenten beginnt und bei den Datenkonsumenten endet. Als Data Division und Verantwortliche für das Cloud Data Warehouse sehen wir uns als unverzichtbaren Bestandteil dieses umfassenden Data Governance-Systems. Dabei geht es nicht nur um die Sicherheit und Integrität der Daten, sondern auch um die Grundlage für die Entwicklung umfassender Datenkompetenzen innerhalb des gesamten Unternehmens.
Motivation: Gibt es in Eurem Unternehmen Anreizsysteme, damit einzelne Mitarbeitende sich im Bereich Datenkompetenzen weiterbilden? Falls ja, wie sehen diese aus?
Arman Savuk:
In den verschiedenen Units streben wir danach, dass die Mitarbeitenden die erforderlichen Datenkompetenzen entwickeln, um sowohl für das Unternehmen als auch für ihre individuelle berufliche Entwicklung einen Mehrwert zu schaffen, wobei ich der Meinung bin, dass die Anwendung von Anreizen möglicherweise nicht den optimalen Ansatz darstellt. Stattdessen sollten die Datenkompetenzen organisch aus den Aufgaben, Rollen und Verantwortlichkeiten der einzelnen Teammitglieder heraus entstehen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die benötigten Kompetenzen vorhanden sind, um die anstehenden Aufgaben erfolgreich zu bewältigen. Falls diese Kompetenzen noch nicht im Unternehmen vorhanden sind oder bei Kollegen fehlen, setzen wir alles daran, sie durch interne oder externe Schulungen zu erwerben.
Stehen zentrale Budgets für als signifikant betrachtete Fähigkeiten/Qualifikationen zur Verfügung? Falls ja, gehört die Datenkompetenz bereits dazu?
Arman Savuk:
Nein. Wie bereits erwähnt, setzen wir uns aktiv mit der Rolle und Verantwortung unserer Mitarbeiter auseinander. Gleichzeitig gehen wir in der Data Division proaktiv voran und streben verstärkt danach, in den Diskurs einzusteigen. Es handelt sich dabei um eine Kombination aus Show-and-Tell und Enablement.
Wie organisieren sich bei Euch HR und die Fachbereiche in Bezug auf Weiterbildungen von Mitarbeitenden?
Arman Savuk:
Lernen und Entwicklung ist ein großes Thema bei uns. HR ist in diesem Sinne bei uns der Enabler für die einzelnen Divisionen und Units. Sie geben uns die nötigen Werkzeuge und Rahmenbedingungen an die Hand, um unsere Mitarbeitenden weiterzubilden. Mehr dazu findest du auch in unserem öffentlich zugänglichen Thomann.io Handbook.